Der wohl schwerste Straßenschwertransport, der jemals durch den Landkreis Schwäbisch Hall gefahren ist, hat Mitte April bei herrlichem Sonntagswetter für viele staunende Gesichter in der Bevölkerung gesorgt.
Der Stromnetzbetreiber TransnetBW erhöht momentan die Übertragungskapazität im Nordosten von Baden-Württemberg und verstärkt dazu das Stromnetz zwischen Kupferzell (Hohenlohekreis) und Leingarten (Landkreis Heilbronn) auf 380 Kilovolt.
Dazu wird im Umspannwerk Kupferzell ein 272 t schwerer Transformator benötigt, der im niederländischen Nijmegen gebaut worden ist. Für den Transport hat die Spedition Kübler aus Michelfeld verantwortlich gezeichnet.
Das Umspannwerk hatte einen vorbildlichen Gleisanschluss mit eigener Weiche. Der Abzweig führte die in Spezialwagen verladenen gewichtigen Transformatoren direkt bis zum Aufstellungsort.
Als DB Netz im Jahre 1991 auch den Güterverkehr auf der Strecke Waldenburg – Künzelsau einstellte, wurde die Gleistrasse zu einem Radwanderweg umgestaltet. Der Anlagenbetreiber sorgte sogleich für eine alternative Route auf der Straße. Allerdings wurde die Rechnung ohne die immer maroder werdende Infrastruktur gemacht. Denn als nun im Jahre 2017 die Anlieferung des neuen Transformators anstand, waren drei Brücken im direkten Umfeld des Umspannwerkes den Belastungen nicht mehr gewachsen.
In unzähligen Streckenprüfungen und einer Vielzahl von Gesprächen mit den Straßenbaulastträgern konnte mühsam eine Route vom Heilbronner Schwergutkai aus gefunden werden. Während die erste Hälfte der Route über die offizielle Schwerlaststrecke des Landes Baden-Württemberg bis auf den Lagerplatz der Spedition Kübler relativ problemlos zu befahren war, verlangte die zweite Hälfte durch den Landkreis Schwäbisch Hall viele Herausforderungen bei Planern und Fahrern ab. Aufgrund der mindertragfähigen brücken mussten kleine Kreis- und Dorfstraßen befahren werden.
Nach 1,5-jähriger Planung fiel im Februar 2018 in Nijmegen der Startschuss. Zuerst ging es über eine kurze Strecke zum Hafen von Nijmegen, wo der Transformator in ein Rheinschiff verladen wurde. Eine Woche später wurde der Transformator dann in Heilbronn mit zwei riesigen Kranen von „Scholpp Kran und Transport“ aus Stuttgart auf die 350t tragende, 24-achsige Scheuerle Hubhebelbrücke von Kübler geladen. Mit dieser Hubhebelbrücke kann die Last sogar noch 1,50 m hoch über Hindernisse hinweggehoben werden, was auf der komplizierten Strecke mehrmals unumgänglich war. Insgesamt ist der Transport 514 t schwer und 78 m lang. Zeitweise werden drei schwere Zugmaschinen von MAN und Mercedes-Benz mit bis zu 680 PS für die Traktion verwendet.
Die letzte Etappe verlangte von den Logistikern und technischen Außendienstmitarbeitern viel Planungsarbeit. Viele Streckenvorschläge wurden geprüft und oft wegen zu schwacher Brücken wieder verworfen. Die einzige mögliche Route führte von Heilbronn über Löwenstein und Mainhardt zum Schwerlastlager von Kübler nach Michelfeld. Hier konnte der Transformator im speziellen Schwergutlager zwischengelagert werden, da Kübler über spezielle Lagerwannen für ölhaltige Transformatoren verfügt und zudem noch direkt an der offiziellen Schwerlaststrecke liegt.
Die letzte Etappe Mitte April übertraf dann mit all ihren Schwierigkeiten den ersten Teil der Strecke um ein Vielfaches. Zur verkehrsarmen Zeit wurde in Michelfeld die Bundesstraße B 14 voll gesperrt. Der Grund war die schwache Brücke über den Bachlauf der Bibers. Eigens für diese Überfahrt wurde der Transporter von 32 Achsen auf 41 Achsen erweitert um die Last weiter zu verteilen. Dazu wurden die zusätzlichen neun Scheuerle-Intercombi-Achslinien unter den Transformator platziert. In Millimeterarbeit wurde der Lindwurm dann von den Spezialisten der Spedition Kübler über die Brücke gelenkt. Nachdem der Zug wieder auf seine ursprüngliche Größe zurückgebaut war, ging es über die Westumgehung weiter Richtung Kupferzell. Aber aufgrund einiger zu schwacher Brücken mussten weitere Umwege in Kauf genommen werden. Statt geradeaus über die Westumgehung und die B 19 ging es durch enge Ortschaften und schmale Kreisstraßen zum Ziel. Die Anwohner in Hesselbronn, Gottwollshausen, Gailenkirchen, Goggenbach und Kupferzell konnten kaum glauben, was da am Sonntagvormittag vor ihren Haustüren fuhr. Viele waren einer Meinung: „Der hat sich verfahren“ oder „Da kommen die nie ums Eck“ waren die meistgehörten Sätze. Doch jeder Zentimeter war zuvor genau geplant, ein Baum wurde zuvor mit einem speziellen Rundspatengerät verpflanzt, Laternen, Schilder und Masten im Voraus ausgegraben und Baumkronen ausgastet. Auch über 200 Halteverbotschilder säumten in den Ortschaften den Weg, wo parkende Autos ein Durchkommen unmöglich gemacht hätten. Zuletzt wurden die Gehwegpflaster noch mit Stahlplatten und Gummimatten vor den hohen Lasten geschützt.
Nach einer insgesamt 6-stündigen Fahrt erreichte der Transport planmäßig um 13:00 Uhr die Einfahrt zur Umspannanlage. Die Polizei, die den Transport begleitet und die Straßen gesperrt hatte, kann auf einen Transport ohne besondere Vorkommnisse berichten. Ebenso ein von der Transportversicherung beauftragter Havariekommisar: „Es hat alles wie aus dem Lehrbuch geklappt und wir sind mit der Arbeit sehr zufrieden“ Hieß es aus Expertenmund. Aber auch die hunderte Schaulustige waren einer Meinung: Gute Organisation, fähige Fahrer und eine gute Mannschaft haben am Sonntag ein gutes Ergebnis erzielt. Insgesamt waren über 30 Mitarbeiter auf der Strecke tätig. Nicht nur das fahrerische Können war gefragt, auch musste von der Firma Fischer Kran aus Schwäbisch Hall in Minutenschnelle die Strecke vorbereitet und wieder zurückgebaut werden. Alleine dafür waren vier LKW und ein 100t-Kran im Einsatz. Rückblickend war es ein echtes Teamwork, welches im gemeinsamen, von Firmenchef Heinz Rößler spendierten, Rostbratenessen endete. Selbst hier war Logistik gefragt, um an einem Sonntagnachmittag keinen Gastwirt mit 30 hungrigen Gästen zu „überfallen“.